– Ein Portrait
Von Dr. Barbara Aust
Das Erhabene oder Sublime als Erlebnis von Unermesslichkeit oder Überwältigung in Natur und Kunst ruft Ehrfurcht, Angst oder Verehrung hervor. Nicht durch die figürliche Darstellung sondern durch die Kombination von Farbe, Licht und Raum macht die Künstlerin Wahida Azhari das Erhabene für den Betrachter erfahrbar.
Obwohl der Begriff des Erhabenen häufig mit der Zeit der romantischen Epoche des 19. Jahrhunderts verbunden wird, geht seine Definition bis ins erste Jahrhundert zurück. In seinem Werk „Über das Erhabene“ beschrieb der Philosoph Longinus des Sublime als „Ausdruck einer großen Erfahrung“, mächtig genug, „Ekstase“ hervorzurufen. Wahida Azharis Bilder vermitteln dieses Gefühl durch Größe, Raum und Licht. Klar und verspielt zugleich oszillieren die schwebenden Formen zwischen Figur und Grund und erschaffen so innerhalb ihrer Komposition eine Spannung. In ihren Arbeiten entwickelt Wahida Azhari abstrakte, zumeist homogene, teilweise großformatige monochrome Farbflächen oder Flächen, auf denen Linien als „rohe“ Pinselstriche gesetzt werden.
Wahida Azhari hat damit der Malerei wesentliche Dimensionen der ihr innewohnenden Spiritualität erschlossen, die auf eine umfassende anthropologisch gegründete Vergewisserung des Menschen im Körpermaß baut. Mit ihren Arbeiten versucht die Künstlerin in die metaphysischen Geheimnisse zu dringen. Es ist eine religiöse Kunst, die einzig durch das „Sein“ die grundlegenden Wahrheiten des Lebens erfassen will. Die angestrebte Wirkung dieser Bilder ist, dem Betrachter Raum bewusst zu machen und Zusammenhänge über den Raum hinaus. Das geschieht dadurch, dass die Verfügbarkeit des Raumes durch das Objekt aufgehoben wird und Flächen und Ausdehnung den angrenzenden Raum, den Betrachter und die Bilder in Relation setzen.
Hierdurch entsteht ein dynamischer Raum. Indem die Flächen in Bewegung geraten, werden auch die von den Flächen begrenzten Räume verändert. Wahida Azhari nutzt das unterschiedliche Vermögen der Farben und Formen, von Raum und Zeit, auf den Betrachter zuzukommen oder zurückzuweichen, sowie die möglichen, ihr innewohnenden Variationen der Arbeiten im Raum. Auf diese Weise werden Leeräume dynamisiert, Formen definiert, von Flächen umschlossen und durch Bewegung bewusst gemacht.
Der sog. „weiße Raum“ (White Cube) wird in der Kunst im Allgemeinen als Zone der Immaterialität, Transitbereich und Ort permanenter Erneuerung angesehen. Wahida Azhari arbeitet dem Phänomen des „White Cube“ entgegen, indem sie ihn in genau diesem Sine benutzt. Die Fähigkeit, ihre Arbeiten mit einfachen Mitteln allein auf die Essenz zurückzuführen und den White Cube als einen aktiven Leeraum, als Ort der Transzendenz, Zeiterfahrung und Ewigkeit zu begreifen, macht gerade die Einzigartigkeit von Wahida Azhari aus.